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Mit BuntStift ins Berufsleben

Ausbildung auf dem zweiten Weg

buntstiftAlexander hat im nächsten Jahr seinen Schulabschluss in der Tasche. Im Herbst hatte er bereits das eine oder andere Bewerbungsgespräch geführt. Mit Erfolg: Im nächsten Jahr wird er seine Ausbildung bei einem Softwareanbieter beginnen. Aber so gradlinig wie bei Alexander läuft es nicht bei jedem. Was ist mit den Schulabbrechern oder jungen Leuten, die straffällig geworden sind? Oder bei solchen, die sprachliche Probleme haben? Haben die gar keine Chance auf einen Ausbildungsplatz? Doch! Zum Beispiel bei Buntstift in Kassel. Ganz gezielt richtet sich BuntStift an Jugendliche und junge Erwachsene mit besonderem Förderbedarf. Hier können die jungen Leute anerkannte Berufsabschlüsse im Metall- und Elektrogewerbe, in der Hauswirtschaft, im Tischlerhandwerk, der Mediengestaltung, der Gastronomie oder der Bürokommunikation erlangen. Solche, die aufgrund ihrer Reife oder ihrer Sprachfähigkeiten noch nicht direkt in eine Berufsausbildung gehen können, bekommen in der Kasseler Produktionsschule das nötige Rüstzeug mit auf den Weg.

Das Angebot von BuntStift wird finanziell vom Jugendamt, dem Land Hessen, der Agentur für Arbeit und dem Europäischen Sozialfonds gefördert. „In diesem Jahr konnten wir sogar mehr Leute einstellen, weil wir eine Ausschreibung der Bundesagen-tur für Arbeit gewonnen haben“, sagt Martin Mertens, Mitbegründer und Leiter der Einrichtung. 37 Azubis seien so dazugekommen, die Gesamtzahl habe sich dadurch auf 70 erhöht. Während von anderen Ausbildungsbetrieben in der Regel gute Noten erwartet werden, ist hier schon fast das Gegenteil der Fall: „Man sollte einen schwachen Schulabschluss haben oder mit dem Gesetz in Konflikt geraten sein“, antwortet Mertens auf die Frage nach den Zugangsvoraussetzungen. „Wir schauen uns die Leute an, was die fachlich können und wie man sie fördern kann. Die Bereiche gliedern sich auf zwischen der Dualen Berufsausbildung und der Produktionsschule. Je nachdem, ob sie aus unserer Sicht gleich in eine Ausbildung starten können, oder lieber noch mal in die Berufsvorbereitung gehen sollten.“

Schwitzen statt sitzen
Nicht selten werden Jugendliche auch vom Jugendamt oder dem Gericht an BuntStift vermittelt. „Schwitzen statt sitzen“ heißt eines der Programme, die jungen Straftätern eine zweite Chance geben sollen. Und dann gibtes noch solche, die auf dem Weg zu ihrem Hauptschulabschluss eher ein praktisches Programm durchlaufen. „Wir können Jugendlichen, die in der Hauptschule mit dem theoretischen Unterricht nicht zurechtkommen, hier die Möglichkeit bieten, etwas Praktisches zu tun und damit ihrer Schulpflicht nachzukommen und einen Abschluss zu erlangen“, erklärt Mertens.

Anerkennung und Respekt
Als erste Einrichtung in Deutschland habe man das mit der sogenannten Produktionsschule angeboten und sei damit zu bundesweiter Bekanntheit gelangt. Von den Jugendlichen wird das Angebot dankbar angenommen. „Hier erfahren sie Anerkennung und Respekt für das, was sie machen“, erläutert Martin Mertens. „Wir mäkeln hier nicht nur an Schwächen rum, sondern wissen ihre Stärken und Fähigkeiten zu schätzen. Und wenn man team- oder projektorientierte Angebote hat, ist der Lerneffekt am höchsten.“

Sicher in Sachen Sprachen
Junge Menschen mit Migrationshintergrund fördert man auch sprachlich. „Wir haben festgestellt, dass viele weder in ihrer Muttersprache noch in Deutsch richtig standfest sind und deshalb Mischsprachen entwickelt haben. Wir wollen sie deshalb in ihrer Muttersprache fördern, um ihnen ein besseres Sprachgefühl zu geben“, sagt der BuntStift-Leiter. Derzeit scheitere das hier und da an den Ressourcen, man wolle das aber weiter ausbauen. Die Erfahrung: „Wenn sie in ihrer eigenen Sprache sicherer sind, läuft das auch mit anderen besser.“

Ausbildung zum Tischler
buntstift2Der 23-jährige Valerie Lohmann ist im dritten Ausbildungsjahr zum Tischler. Nach dem Realschulabschluss hatte er zunächst eine Ausbildung zum Gärtner begonnen. „Es hat sich dann herausgestellt, dass das nichts für mich ist“, erzählt er. „Das war sehr oft draußen und im Kalten. Ich brauche wärmere Finger zum Arbeiten.“ Seine Gärtnerausbildung, die er euphorisch und mit guten Leistungen begonnen hatte, brach er schließlich ab. Über einige Wochen schaute er sich im Anschluss nach neuen Tätigkeiten um und bewarb sich bei verschiedenen Tischlereien um einen Ausbildungsplatz. Darunter auch die Holzwerkstatt von BuntStift.

Eingebunden statt ausgenutzt
„Ich habe mich hier beworben und wurde dann zum Vorstellungsgespräch eingeladen“, blickt er zurück. Nach einem Probearbeiten und einem Test bekam er die Stelle. „Gut gefällt es mir hier“, sagt er, „man kann viel lernen.“ In kleineren Tischlereien müsse man oft den ganzen Tag über nur das gleiche machen. Hier bekomme man jede Menge Abwechslung. „Man wird nicht ausgenutzt, sondern eingebunden“, sagt er. Abwechslung gibt es hier in der Tat sehr viel. Mit dem fachlichen Beistand von Ausbilder Peter Jost bauen die Azubis Sitzmöbel, Kindergarteneinrichtungen, Arbeitstische oder auch Gartenhäuser und vieles mehr. Oder sie verlegen Fußböden. Viele Kunden von BuntStift sind inzwischen Stammkunden geworden. Nicht nur Privatpersonen gehören dazu, sondern auch öffentliche Einrichtungen, wie etwa das Naturkundemuseum für das die BuntStift-Azubis erst kürzlich neue Vitrinen gebaut haben.

Das Spektrum an Aufgaben gefällt auch Christian Ewald sehr gut. Der 20-Jährige ist Tischler im zweiten Ausbildungsjahr und könnte eigentlich schon im dritten sein, wenn es mit seinem vorherigen Ausbildungsbetrieb nicht Probleme gegeben hätte. „Ich kam mit meinem Chef nicht zurecht“, erzählt der Azubi. Der habe ihm dann gekündigt. „Ich habe dann ziemlich viele Bewerbungen geschrieben, um einen neuen Ausbildungsplatz als Tischler zu bekommen“, sagt er. Von BuntStift sei er dann eingeladen worden, wie Valerie zu Gespräch, Test und Probearbeiten. Und er bekam die Möglichkeit, seine Ausbildung hier fortzusetzen.

Das Handwerkszeug
Aufgebaut ist die Ausbildung hier wie in vielen größeren Tischlereien. Anfangs erlernt man die Grundfertigkeiten an kleineren Werkstücken und baut sein handwerkliches Geschick nach und nach aus. „Wer ein Händchen dafür hat, darf aber schon recht frühzeitig auch an Kundenaufträge“, erklärt Valerie. Für die Umsetzung ihrer Arbeiten stehen den BuntStift-Tischlern viele große und kleine Maschinen und Werkzeuge zur Verfügung: Formatkreissäge, Plattensäge, Bandsäge, Hobelmaschine, Schleifmaschine, Tischfräse, Drechselbank und so weiter.

Vermittlung statt Übernahme
Übernommen werden können die Azubis von BuntStift nach ihrer Ausbildung nicht. Aber an Betriebe vermittelt. „Das sehen wir als Teil unserer Aufgabe“, sagt Martin Mertens. „Wir versuchen unseren Azubis die Möglichkeit zu geben, durch Praktika andere Betriebe kennenzulernen, um da einen Fuß in die Tür zu bekommen. In vielen Fällen klappt das.“ Valerie wird nach seiner Tischlerausbildung wahrscheinlich noch die Fachhochschulreife machen. Der Schwerpunkt Kunst und Design schwebt ihm vor. Und Christian hat schon „was im Tischlerberuf“ in Aussicht.

Mediengestalter Digital und Print
Johnathan Zeuch baut und gestaltet ebenfalls, allerdings keine Möbel, sondern Print- und Onlinemedien. Der 22-Jährige ist Mediengestalter Digital und Print im ersten Ausbildungsjahr. Nach der Hautpschule hatte er zunächst einen höheren Abschluss erreichen wollen, dann aber abgebrochen. „Ich habe mich danach mit ganz unterschiedlichen Jobs über Wasser gehalten. Irgendwann habe ich mir gesagt, dass das so nicht weitergehen kann und versucht, in der Abendschule meinen Realschulabschluss nachzuholen.“ Bis er auf BuntStift aufmerksam geworden sei. „Hier habe ich die Möglichkeit bekommen, eine Ausbildung zu machen, mit der ich meinen Realschulabschluss dann automatisch in der Tasche habe.“

Schon immer hat sich Johnathan mit Gestaltung beschäftigt, Fotos bearbeitet, Webseiten designed oder Flyer für Discos entworfen. „Bei BS Medien, so heißt die Mediengestaltungsabteilung von BuntStift, festigt er seine Fähigkeiten im Umgang mit den gängigen Bildbearbeitungs-, Layout- und Webdesignprogrammen und Kunden. Der Schwerpunkt seiner Ausbildung liegt im Nonprint, also dem Erstellen von Online-Medien. Momentan ist er aber eher im Print-Bereich aktiv, „baut“ Flyer, Visitenkarten und so weiter.

Ergänzende Schulungen
Für beide Bereiche, Print und Nonprint, gibt es einen Ausbilder, der die Nachwuchs-Mediengestalter anleitet. Johnathan lobt die Möglichkeiten, seine Kreativität und seine Fähigkeiten weiter auszubauen: „Jeden Freitag gibt es hier zusätzliche Schulungen außerhalb der Berufsschule, wo Programme, Tricks und Kniffe gezielt vermittelt werden.“ Auch Englisch und Fotografie werden außerschulisch vermittelt. „Man lernt hier unheimlich viel und ich bin sicher, dass ich mich damit hinterher gut bewerben kann.“

Praktikum als Brücke
buntstift3Genauso sieht das Simon Kaminski. Auch er schätzt das selbstständige Arbeiten und den regen Kundenkontakt. Der 21-Jährige ist im dritten Ausbildungsjahr zum Mediengestalter Digital und Print. Auch Simon hat den Schwerpunkt seiner Ausbildung auf Nonprint gelegt. Screendesigns sind sein Steckenpferd, also Designentwürfe für Websites. Zweimal die Woche arbeitet Simon nicht bei BuntStift, sondern bei einem Onlineshop in der Stadt. Ein Praktikum, das ihm zu einem Arbeitsplatz nach der Ausbildung verhelfen könnte. Alternativ würde er weiter zur Schule gehen, um die Fachhochschulreife in Fachrichtung Informatik zu erlangen.

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