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Mehr als nur duchsichtig: Ausbildung zum Glasmaler

Glasmaler Dustin van Heek. Foto: Edda NeitzWenn Dustin van Heek an seinem Arbeitsplatz sitzt, hat er einen direkten Blick auf die Kirchenfenster von St. Martinus in Linnich. Mit Kirchenfenstern hat Dustin fast täglich zu tun. Als Glasmaler im zweiten Ausbildungsjahr hält er oft eine antike Glasscheibe aus dem Mosaikfenster einer Kirche in seinen Händen. In der ältesten Werkstatt für Glasmalerei in Deutschland, bei Firma Oidtmann in Linnich, lernt der 19-jährige Dustin.

Alte Kunstwerke restaurieren war schon immer sein Berufswunsch. Schon die Schullaufbahn war für Dustin ein erster Wegweiser. So hat er im Anschluss an die Gesamtschule in Aachen die Fachoberschule für Gestaltung und Design besucht. „Handwerkliches Arbeiten ist für mich wichtig“, sagt er. Eine Ausbildung zum Steinmetz hat er auch in Erwägung gezogen, doch bald verworfen. Denn die Arbeit in einer Steinmetzwerkstatt ist anstrengend und die Tätigkeit in einem großen Betrieb erschien ihm zu eintönig, weil dort Steine maschinell verarbeitet werden, also mehr technisches Interesse als handwerkliches Talent gefragt ist. Ein Praktikum bei der Dombauleitung des Aachener Doms und später bei der Firma Oidtmann formten den Entschluss bei Dustin, diese besondere Ausbildung durchzuführen. Hier hat er das Gefühl, dass er seine Vorlieben für das Handwerk, die Kunst und die Restauration am besten zusammenführen kann.

Über den Dächern
Sein Arbeitsplatz gleicht einem Atelier. In einem Licht durchfluteten Raum, über den Dächern der umliegenden Häuser, arbeitet er mit zwei Kollegen. Vor ihm liegt auf dem Arbeitstisch die Zeichnung eines Wappens. Behutsam und doch bestimmt zieht er einen langen Strich. „Am Anfang habe ich wochenlang nur geübt einen geraden Strich zu ziehen“, verrät Dustin. Einen absolut geraden Strich ohne Hilfsmittel zu zeichnen erfordert nicht nur ein ruhiges Händchen, sondern viel Geduld und Ausdauer.

Zwar bewerben sich vorwiegend Realschüler und Abiturienten für die Ausbildung zum Glasmaler, doch reicht hierfür ein qualifizierter Hauptschulabschluss. Heinrich Oidtmann, der zusammen mit seinem Bruder das Unternehmen in der fünften Generation leitet, betont den handwerklichen Charakter der Tätigkeit und sagt, „wenn sich bei mir ein Bewerber vorstellt, muss ich den Eindruck haben, dass er auf seine handwerkliche Fähigkeiten setzen kann.“ Ein Azubi muss viel Einfühlungsvermögen mitbringen und Interesse für das Material Glas haben. Die Firma Oitmann bildet außerdem noch Kunstglaser aus. Diese übernehmen den Zuschnitt der Glasscheiben und die anschließende Endverarbeitung.

Bei fast 85 Prozent der Aufträge geht es um Kirchenfenster, die entweder restauriert oder neugestaltet werden. „Wenn uns Glasbruchstücke von Kirchenfenstern vorliegen, können wir aber nicht gleich mit dem Löten anfangen“, sagt Heinrich Oidtmann. Bevor überhaupt mit der Restaurierung der Glasfenster begonnen werden kann, müssen vorhandene Schäden erst einmal erfasst werden. Sehr oft liegen Glassprünge und Bleibrüche vor. Bleinetze halten die einzelnen bunten Glasstücke zusammen. Es können aber auch Verschmutzungen sein, die einen Schaden hervorrufen. „Kleine Stücke reparieren wir vor Ort. Große Teile werden ausgebaut und nach Linnich transportiert“, sagt Firmenchef Oidtmann. Der gute Ruf der Firma Oidtmann geht weit über die Grenzen Deutschlands hinaus. So kommt es vor, dass Mitarbeiter nach Österreich, England, Frankreich oder gar nach Island und Japan für einen Auftrag reisen.

Alles noch von Hand
Der Arbeitsplatz von Dustin. Foto: Edda NeitzWährend in vielen Glaswerkstätten Zeichnungen auch am Rechner entstehen, wird bei der Linnicher Firma alles noch von Hand erstellt. Das Unternehmen wurde 1857 gegründet. An den Arbeitsabläufen hat sich seitdem nicht sehr viel geändert. Nur bei der Archivierung der Arbeiten hat die Firma Oidtman moderne, also digitale Technik eingeführt. Doch gerade das macht für Dustin auch den Reiz aus. Hier in der Firma wird uraltes Wissen von Generation zu Generation weitergegeben. Von den älteren Kollegen erfahren die Jungen, welche Glasart am besten ist. Ob man beispielsweise Antikglasscheiben, Opalglas oder farbloses Glas verwendet. Sie hören, dass die Farbgebung des Materials, aber auch Schlierenstrukturen eine große Rolle spielen und gerade diese oft den besonderen Glaseffekt bewirken. „Erfahrung mit der Farbgebung fehlt mir aber noch“, sagt Dustin und steht ehrfurchtsvoll vor den vielen Farbplättchen, die in der Werkstatt am Fenster hängen.

Den Großteil der Aufträge bearbeitet Dustin nach Vorlage. Der Künstler liefert das Motiv für die Glasmalerei. Glas- und Kunstmaler sorgen für die Umsetzung. Motive können Werke von großen Künstlern wie Ludwig Schaffrath und Ottmar Alt sein. Es können aber auch beliebige Vorlagen für Stadtwappen sein. Zuerst hat der Glasmaler die Aufgabe, das passende Glas auszuwählen. Anschließend zeichnet er die Konturen auf das Glas und vervollständigt das Werk durch Farbe. Der besondere Reiz der Glasmalerei liegt zweifellos auch in der Möglichkeit mit Licht zu spielen. Licht kann „eingefärbt“, „gebrochen“ oder „gedämpft“ werden. Weiter können Durchblicke verhindert oder gestattet werden. Auch das sind Aspekte, die Dustin bei seiner Arbeit bedenken muss. Nahezu alle Glasbearbeitungstechniken wie beispielsweise Ätzarbeiten, Bleiverglasung, Airbrush, Siebdruck und Sandstrahlverglasung werden von der Firma Oidtmann ausgeführt. Auch hier arbeitet sich Dustin schrittweise ein. Bislang hat er nur mit der Sandstrahltechnik gearbeitet.

Die praktische Ausbildung zum Glasmaler ist ein weites Feld. Es vergeht kein Tag, an dem Dustin nicht etwas Neues erlernt. Aber an den Blockunterricht der Berufsfachschule in Rheinbach bei Bonn kann er beruhigt herangehen. Durch seine Fachoberschulreife verfügt er über gute Kenntnisse in vielen Fächern.

Fotos: Edda Neitz

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