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Lebendige Kunstwerke: Ausbildung zum Tätowierer

Ein ruhiges Händchen sollten angehende Tätowierer wie Laura Vobig haben, damit sich die Kunden ein Leben lang an ihrem Tattoo freuen können. Foto: Siroma-SunshineSich auf der Haut eines Menschen verewigen – nicht mehr und nicht weniger macht ein Tätowierer bei seiner täglichen Arbeit. Dass dazu eine grosse Portion Kreativität und ein ruhiges Händchen gehören, versteht sich von selbst. Immerhin trägt sein Kunde das Ergebnis ein Leben lang mit sich. Welche Kenntnisse und Fertigkeiten müssen sich Anfänger darüber hinaus aneignen und worin besteht die Bedeutung eines bestechend guten Tattoos?

Hochkonzentriert und gleichzeitig vollkommen ruhig wirken die Gesichtszüge von Laura Vobig. Und das ist auch gut so: Was unter ihren Händen entsteht, geht nämlich unter die Haut – dauerhaft. Die 20-Jährige lässt sich zur Tätowiererin ausbilden und ist bei ihrer Arbeit dafür verantwortlich, wie am Ende der Körperschmuck ihres Kunden aussieht. „Für mich ist das Tätowieren eine hohe Kunst, die mit viel Verantwortung verbunden ist“, erklärt sie nach drei Lehrjahren. „Genau darin liegt aber auch der Reiz: Ich gebe Menschen etwas ganz Besonderes mit auf den Weg.“

Menschen – das ist das Stichwort. Im Gegensatz zu anderen Kunstformen wird beim Tätowieren nicht auf „toten Leinwänden“ gemalt und gezeichnet, sondern auf Personen aus Fleisch und Blut. Tätowierer schaffen lebendige Kunstwerke mit der Dauer eines Menschenlebens. Jahrtausendealt ist diese Art des Körperschmucks, der ursprünglich die Stammeszugehörigkeit kennzeichnete oder als rituelles oder sakrales Symbol getragen wurde. Sogar an Ötzi, der Gletschermumie aus der Steinzeit, fanden sich in die Haut eingestochene Zeichen. In der westlichen Gesellschaft wiederum galten Tätowierungen lange als Erkennungsmerkmal für einen Matrosen oder Sträfling. Doch mittlerweile ist dieses Negativimage der Anerkennung als Körperverzierung gewichen. „Mein Beruf war nie ein Problem – weder für Familie noch Freunde“, bestätigt der Hamburger Tattoo-Künstler Ole Kröger.

Keine schmuddeligen Hinterhofstudios
Penibel sauber muss die Tätowiermaschine sein, wie Laura Vobig ganz zu Anfang lernte. Foto: Siroma-SunshineWie die gesellschaftlichen (Vor-)Urteile hat sich auch das (Kunst-)Handwerk modernisiert. Schmuddelige Hinterhofstudios sind längst passé. Heute werden Hygienevorschriften genau eingehalten. Denn wer sich einmal für ein Tattoo entschieden hat, möchte sich in künstlerisch kreative und vertrauensvolle Hände begeben. Umso wichtiger ist eine umfassende und langjährige Lehrzeit. Darum möchte Mirko Werner, der seit 1998 sein eigenes Tattoo-Studio „Siroma-Sunshine“ betreibt und dort ausbildet, vor allem besser machen, was sein eigener Ausbilder versäumt hat: „Ein Bekannter hat mich ins Tätowieren eingeführt – seine Arbeiten waren zwar gut, aber die Rahmenbedingungen echt unprofessionell.“

Eine rechtliche Regelung für die Ausbildung zum Tätowierer gibt es zwar nicht, dafür hat Mirko Werner ein klares Konzept: Ein Teil der Ausbildung besteht aus der Prüfung zum Kaufmann bzw. zur Kauffrau vor der Industrie- und Handelskammer, der zweite Teil – die Praxis sowie weiteres Wissen zu Hygiene, Technik, Haut und Stichtiefe – wird im „Siroma-Sunshine“ absolviert. Dabei legt der 45-Jährige vor allem Wert auf den persönlichen, rücksichtsvollen Umgang mit den Kunden und innerhalb des Teams.

Wie lernt ein Neuling wie Laura den Umgang mit der Tätowiermaschine? „Erst einmal muss sie malen, malen, malen“, sagt der Tattoo-Lehrer mit Nachdruck. „Dann übt sie auf einer Kunsthaut und darf erst danach die Tätowiermaschine bei einem Kunden ansetzen.“ Dem „Opfer“, wie der Könner mit einem Augenzwinkern noch hinzufügt. Er lässt keinen Zweifel daran, dass ein angehender Tätowierer viel Geduld und Zeit mitbringen muss. Mindestens drei Jahre dauert es, bis er sein Fach beherrscht.

Grundsätzlich gilt: „Ein Tätowierer hat nie ausgelernt“, wie Ole Kröger weiß. Zu schnell ändern sich die Stile, sind bereits out, wenn sie gerade noch angesagt waren. Der Hamburger ist vor allem bekannt für seinen Neo-Traditionalismus. „Knapp formuliert bezeichnet er klassische Motive, die wiederbelebt werden, sowie die Technik, bei der starke Linien und klare Flächen überwiegen“, erklärt der Spezialist, der bereits mehrere Pokalplatzierungen auf internationalen Tattoo-Messen errungen hat. Bei seinen eigenen Tattoos ist der 28-Jährige nicht auf einen Stil festgelegt. Diese ziehen sich über seinen gesamten Körper – vom Knöchel bis zum Kinn. Sogar unter den Ärmeln lugen sie hervor.

Selber untätowiert
Selbst Tattoos zu tragen, ist aber kein Muss für Tätowierer, wie das Beispiel von Laura Vobig zeigt. „Ich bin wohl einer der wenigen Tätowierer, der die Bilder viel lieber in die Haut sticht und anderen mit auf ihren Weg gibt, als selbst welche zu sammeln“, lacht sie. Zum Tätowieren kam die 20-Jährige nach ihrem Realschulabschluss über ein Praktikum im „Siroma-Sunshine“. Fasziniert ist sie vor allem von der Wirkung eines Tattoos. „Das Motiv immer im Spiegel ansehen und mit Momenten seines Lebens verbinden zu können, ist etwas sehr Schönes“, findet Laura. Gefällt dem Kunden das fertige Motiv, sind Erfüllung und Freude groß, betont der angehende Stechprofi: „Das fertige Tattoo hat nicht nur Bedeutung für den Kunden, sondern auch für mich als Tätowiererin!“

Zusatzinfos:
Es gibt keine tariflichen Informationen zum Gehalt des Tätowierers. Die Höhe hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, etwa ob der Tätowierer ein eigenes Tätowierstudio betreibt oder angestellt ist. Außerdem spielen die Berufserfahrung und der Arbeitsort eine Rolle ebenso wie die Größe und Ausrichtung des Unternehmens. Der Verdienst eines Tätowierers liegt bei 60 bis 110 Euro pro Stunde.

Foto: Siroma-Sunshine

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