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Arbeiten auf hoher See: Von Nautikkünsten und Naturgewalten

Nautiker müssen mit eigenen Augen und klassischen Hilfsmitteln wie dem Kompass die Position und Fahrroute des Schiffs bestimmen können. Foto: Maike SchaftWasser hat für uns elementare Bedeutung. Es dient nicht nur als Lebensgrundlage. Über das Meer gelangen außerdem ungezählte Produkte zu uns, die wir für unsere täglichen Bedürfnisse brauchen. So wird zirka die Hälfte aller Unterhaltungselektronik über die Weltmeere nach Deutschland geliefert, ebenso jedes dritte Kleidungsstück und jeder zweite Schuh. Damit das Schiff mit seinen Waren sicher und am richtigen Hafen ankommt, arbeiten Nautiker an Bord. Sie sind vor allem für die Schiffsführung, die Ladung und die Sicherheit an Bord verantwortlich. Grundlegende Voraussetzungen sind Verständnis für das „System Schiff“ und Teamgeist. Wenn Runa Jörgens nach der Faszination der Arbeit auf hoher See gefragt wird, zögert sie nicht lange: „Die Nähe zu den Naturgewalten ist fesselnd, nur in wenigen Branchen ist man Wind und Wetter derart ausgesetzt.“ Noch heute müsse ein Seemann bei jeder Witterung auf dem Deck stehen und mit eigenen Augen und klassischen Hilfsmitteln wie dem Kompass die Position und Fahrroute des Schiffs bestimmen können. „Im Zweifelsfall steht man da wie im 19. Jahrhundert“, so Jörgens.

Sie ist Kapitänin beim Verband Deutscher Reeder und hat dafür die Laufbahn des Nautischen Offiziers eingeschlagen. Mit 16 Jahren fuhr sie zum ersten Mal zur See, im Rahmen eines Schülerpraktikums, und war sofort begeistert: „Ich durfte von Beginn an alles mitmachen – egal, ob es um die Überwachung des Seeraums, die Arbeitssicherheit oder das Begehen von Laderaum und Deck ging.“ Nach dem Abitur belegte sie das Studienfach Nautik und absolvierte die vorgeschriebenen zwölf Monate Seefahrtszeit. Das Befähigungszeugnis zur Kapitänin erhielt sie mit 27 Jahren – nach je einem Jahr als Nautische Wachoffizierin und als Erste Nautische Offizierin auf See. Der Weg zum „Arbeitsplatz Meer“ besteht aus verschiedenen Stationen: Nach dem Mittleren Schulabschluss folgt zunächst die zweijährige Fachschulausbildung zum Schiffsbetriebstechnischen Assistenten (SBTA) mit der Fachrichtung Nautik, inklusive 30-wöchigem Bord-Praktikum. Danach steht nach zwölf Monaten Fahrzeit als Nautischer Offiziersassistent der Lehrgang Nautik an einer Seefahrtschule oder das Studium Nautik an einer Fachhochschule offen. Ziel ist dabei immer: der Aufstieg zum Kapitän.

Nautik-Ausbildung fast 200 Jahre alt
Der Begriff Nautik bedeutet die Kunst, ein Schiff zu führen, und wird seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verwendet. Beinahe ebenso alt ist der Beruf des Nautikers. „Die Ausbildung an Seefahrtschulen gibt es in Deutschland seit über 180 Jahren“, sagt Kapitän Christoph Wand, der seit 1997 Professor im Fachbereich Seefahrt an der Jade Hochschule in Elsfleth ist. Seitdem habe sich vieles am Beruf geändert: „Früher lag das Hauptaugenmerk auf der Positionsbestimmung durch astronomische Navigation, also durch die Messung der Gestirne. Heute – zu Zeiten von GPS – geht es eher um die Vernetzung der technologischen Systeme an Bord.“ Der logistische Ablauf sei zunehmend technischer geworden – die Schiffsführung, das Laden und Löschen. Das Interesse an Mathematik und anderen naturwissenschaftlichen Fächern ist daher Voraussetzung.

„Um sicherzustellen, dass die zu erwerbenden Kompetenzen angemessen und aktuell sind, erfolgt die Ausbildung zum Nautiker nach international verbindlichen Standards“, betont Axel Deiler, Lehrkraft an der Staatlichen Seefahrtschule Cuxhaven. Diese lege nicht nur Wert auf eine Kombination von Theorie und Praxis, sondern auch auf eine fächerübergreifende Lehre. Zum Einsatz kommen dabei typische Bauteile, Geräte und Anlagen aus dem Schiffsbetrieb sowie Simulatoren. Die Seefahrtschule Cuxhaven verfügt beispielsweise über verschiedene Dieselmotoren, Ladungsrechner, Manöverbecken, Schiffsführungs- und Funk-Simulatoren. „Damit lassen sich Lernsituationen schaffen, die typisch für den Schiffsbetrieb sind und den Eindruck vermitteln, man sei an Bord“, so Deiler. An der Jade Hochschule steht sogar ein Schulschiff zur Verfügung, das Studierenden, die bereits zwei Praxissemester absolviert haben, unter Aufsicht alleine steuern dürfen. Nicht erlernbar ist jedoch die Fähigkeit, sich mit dem begrenzten Raum an Bord zu begnügen. „Man wohnt an seinem Arbeitsplatz“, wie es Runa Jörgens formuliert. Auch auf ein mehrköpfiges Team aus verschiedenen Kulturkreisen sollte man sich einlassen können. War etwa Christoph Wand zu Beginn seiner Laufbahn Mitte der 1980er Jahre noch überwiegend mit deutschen Seeleuten unterwegs, sind es heute zunehmend multinationale Crews. Maike Schaft, Nautik-Studentin an der Jade Hochschule Elsfleth, bestätigt dies: „Auf hoher See habe ich mit Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammengearbeitet. Da waren Englischkenntnisse und Teamwork gefragt.“ Die Seeschifffahrt ist eben ein internationales Geschäft.

„Langweilig wird es nie!“
Ein großes Frachtschiff zu steuern ist eine Herausforderung und erfordert Fachkenntnis. Foto: Maike SchaftWie sie die mehrmonatige Seefahrt erlebt hat? „Es gibt immer etwas zu tun, so wird es nie langweilig“, lacht die 27-Jährige. Wenn sie einmal seekrank sei, lenke sie sich mit Arbeit ab. Oft scheint das bei ihr allerdings nicht nötig zu sein: „Ich fahre sehr gerne zur See, schon von klein auf war ich ständig auf dem Wasser unterwegs“, erzählt Maike Schaft von sich. Einziger Wermutstropfen: „Wir haben oft lange Arbeitszeiten und Schichtdienst, zudem lässt die Internetverbindung an Bord noch zu wünschen übrig. Dadurch ist es schwer, regelmäßig Kontakt zu Familie und Freunden zu halten.“ Auch bekommt man nicht viel von der Welt zu sehen, wie vielfach angenommen wird, denn die Aufenthaltsdauer am Hafen ist nur gering. Doch Christoph Wand weiß aus Erfahrung: „Die meisten wollen genau diesen Beruf ergreifen und haben nie etwas anderes in Betracht gezogen.“ So halten die Nachteile Maike Schaft nicht davon ab, nach dem abgeschlossenen Nautik-Studium die nächsthöhere Position anzustreben, im Gegenteil: Sie möchte Kapitänin werden. Auf See könne sie in verschiedensten Aufgabenfeldern arbeiten und sich ständig weiterbilden. „So stellt sich keine Routine ein“, ist sie überzeugt. Auch an Land bieten sich mit entsprechender Berufserfahrung viele Möglichkeiten, als Nautiker oder Kapitän zu arbeiten, unter anderem in Reedereien und Logistikunternehmen, Behörden und Ministerien, Wasserschifffahrtsdirektionen und Versicherungen.

Gute Ausbildung, gute Chancen
„Leider ist die Beschäftigungssituation nicht optimal, weil sich die Seeschifffahrt immer noch in der Krise befindet“, erläutert Axel Deiler, betont aber: „Dennoch werden Nautische Offiziere gebraucht!“ Runa Jörgens ergänzt: „Die Schifffahrt ist direkt abhängig vom Welthandel und wächst immer noch. Wer gut ausgebildet ist, wird gut unterkommen.“ Denn ohne Nautiker würden wir umsonst auf mp3-Player, Kleidung und Schuhe warten.

Wie das Leben an Bord ist, können Schüler als Ferienfahrer beim Verband Deutscher Reeder erleben. Informationen unter:
http://ausbildung.reederverband.de/berufsbilder/ferienfahrer.html

Die Laufbahn zum Kapitän/zur Kapitänin grafisch dargestellt:
http://ausbildung.reederverband.de/berufsbilder/berufe-an-bord/kapitaen.html

Fotos: Maike Schaft

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